Der Karlistische Orden der Lilie von Navarra

© Jörg C. Steiner

Seit 1955 verlieh der habsburgische Thronprätendent als angebliche Erneuerung des legendären Ritterordens der Heiligen Maria von der Lilie der Könige von Navarra den "Supremus Ordo a lilio regni Navarrae" an treue und finanzkräftige Mitstreiter und Anhänger. Seit seinem Tod im Jahre 1975 konnte nur noch wenig bis keine weitere Tätigkeit dieses Ordens festgestellt werden. 

Vorgeschichte

Jedem, der sich näher mit der (Adels-) Geschichte Europas beschäftigt, wird rasch klar, dass es neben den Familien Bourbon, Habsburg und Sachsen-Coburg-Gotha, sowie Kombinationen aus diesen keine ernstzunehmenden regierenden Häuser gibt - alles andere ist entweder ausgestorben oder neureiche Emporkömmlinge. (Gut, ist vielleicht etwas vereinfacht ausgedrückt.) Jedenfalls gibt es in den Familien der Bourbonen als auch der Habsburger jeweils eine den Anspruch auf den spanischen Thron erhebende Linie, die sich teilweise auch kriegerische darum stritten und spätestens seit dem Tod des Diktators Franco wieder streiten. Die habsburgischen Thronprätendenten, übrigens aus der Linie der Großherzöge der Toskana, führten dabei jeweils den Titel eines Herzogs von Madrid (Duque de Madrid) und den Vornamen Karl (Carlos) weswegen ihre Parteigänger als "Karlisten" bezeichnet werden bzw. die einschlägigen Kriege auch als Karlisten-Kriege in den Geschichtschroniken Aufnahme fanden. Nach dem 1. Weltkrieg kam die Rolle des habsburgischen Thronanwärters dem jüngsten Sohn von Erzherzog Leopold Salvator aus der Linie Toskana und der Erzherzogin Blanca, geborene Prinzessin von Bourbon-Kastillien, Erzherzog Karl Pius als Carlos VIII. zu. Als dieser jedoch im Alter von 44 Jahren 1953 in Barcelona verstarb hinterließ er nur 2 minderjährige, aus einer nicht hausgesetzmäßigen Ehe stammende, Töchter, weswegen sein vier Jahre älterer Bruder Erzherzog Franz Joseph Karl die Anwartschaft übernahm.

Erzherzog Franz Joseph Karl, geboren am 4. Februar 1905 in Wien, war als Don Francisco Jose Carlos de Habsburgo-Lorena Y Borbon bereits 1926 in Spanien naturalisiert worden. Als Berufspilot hatte er im 2.Weltkrieg bei der RAF gedient und war seit Juli 1937, ebenfalls nicht hausgesetzmäßig, mit Marta Aloisia, der Tochter des ehemaligen k.u.k. Obersten Andreas Baumer und der Anna di Locatelli in London verheiratet. Nach Kriegsende lebte das Paar teilweise in Madrid (Spanien) und Berndorf (Niederösterreich). Nach Anullierung dieser Ehe heiratete er ein zweites mal, abermals nicht den Hausgesetzen entsprechend, am 21. Jänner 1962 in Zürich Maria Seumig; dieser Verbindung entsprang eine Tochter. Am 9. Mai 1975 verstarb der Erzherzog in Hernstein.  Dieser Erzherzog Franz Joseph Karl stiftete nun, wahrscheinlich 1955, den Orden der Lilie von Navarra um karlistische Mitkämpfer entsprechend auszeichnen zu können. Hierbei berief er sich auf den - eigentlich nicht belegten sondern legendär auf 1038 datierten - Ritterorden der Heiligen Maria von der Lilie, der angeblich von Gracias VI. König von Navarra gegründet sein soll.

Stiftung und Verleihung

Im Gegensatz zu den bisherigen Publikationen muss hier festgestellt werden, dass der Orden nicht ein- sondern zweiklassig zur Verleihung gelangte. Die Ritter tragen eine Halsdekoration in Art der Kommandeure, die Ritter 1.Klasse dazu noch einen Bruststern. Entsprechend des Wohnortes in Berndorf war der Orden in bestimmten Kreisen Österreichs in den 1960er Jahren sehr weit verbreitet. Den "Vertrieb" besorgte unter dem Titel eines Großkanzlers der später "berühmt-berüchtigte" Titel- und Ordenshändler Baron Dr. Kornel von Tarczaly, welcher auch auf den Urkunden unterschrieb.

Gestaltung der Dekoration

Die Ritter (Mitglieder) dieses Ordens tragen als Halsdekoration eine goldene, violett emaillierte heraldische Lilie, die von einem Monogramm "FJ" und einer Königskrone, beides aus Gold, überhöht ist. Die Rückseite dieser ca. 18 x 5 cm großen Dekoration ist ungestaltet glatt. Die Ritter der ersten Klasse tragen dazu einen achtstrahligen, brillantierten Bruststern mit einer großen aufgelegten, ebenfalls violett emaillierten heraldischen Lilie. Als Haupt-Hersteller kann wohl der Juwelier Rothe's Neffen in Wien I. genannt werden. Die mehrfarbige ca. DIN A3 große Verleihungsurkunde ist in Latein geschrieben.

 

Ordenszeichen für Ritter  Verleihungsurkunde aus dem Jahre 1961
Reg.Rat Dr. Johann Gloss mit dem Bruststern Karlistische Rechtfertigungsschrift in Spanisch

 

Quellen & Literatur:
Rechtfertigungsschrift über den habsburgischen Anspruch auf den spanischen Thron, ohne Jahr wahrscheinlich um 1955
Géza Baron Kövess; Die spanischen Thronprätendenten; in der Zeitschrift: Adler Heft 5, Wien 1969
Roman Freiherr von Procházka; Österreichisches Ordenshandbuch; München 1974

 

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