Der Iffland-Ring

© Jörg C. Steiner

Im Jahre 1911 fand man im Nachlass des Schauspielers Friedrich Haase einen Ring, der das Bildnis von A.W. Iffland von zahlreichen Diamanten umrahmt zeigt, den er mit einer Auflage an den Schauspieler Albert Bassermann vererbte. Hiermit begann eine legendäre Auszeichnung ins Leben zu treten, die mehr Fragen offen lässt als beantwortet und vielleicht gerade darum so faszinierend wirkt. Seit den 1950er Jahren wird dieser Ring, als eine Art halb-staatlicher Auszeichnung, von jeweils einem Schauspieler an einen von ihm als "bester Schauspieler deutscher Zunge" festgelegten anderen vererbt.

Vorgeschichte

Der berühmte Schauspieler und Theaterdirektor August Wilhelm Iffland (1759-1824) verschenkte, ganz im Geist seiner Zeit, als Erinnerungsgaben Ringe mit seinem Bildnis an verschiedene Freunde und Gönner. Wobei mindestens 7 Stück belegt sind, von einer Weitergabe-Verpflichtung oder gar einer Auszeichnung war zeitgenössisch niemals die Rede. Was jedoch nicht ausschließt, das Iffland, dem das Motiv der Ringparabel wie sie vom Decamerone bis zu Nathan der Weise oftmals bearbeitet wurde, selbstverständlich bekannt war, jedem der möglichen Beschenkten im Glauben gelassen hat, der jeweils Einzige, der Auserwählte zu sein. Mitte der 1950er Jahre existierte mindestens noch ein anderer gleich aussehender Ring im Besitze von Wilhelm Burckhardsberg - wo die anderen fünf möglicherweise noch verschenkten Ringe geblieben sind, kann wohl niemand mehr sagen. Vielleicht sind sie schon lange zerlegt und eingeschmolzen, vielleicht zirkuliert der "wirkliche und einzige und wahre" Ring ganz im Geheimen - oder vielleicht ist das alles auch nur eine Legende.

Höchst seltsam ist auch, dass sowohl Friedrich Haase, als auch der von ihm angegebene Vorgänger Theodor Döring (1803-1878) - beide als große Bühnen-Mimen ihrer Zeit von Eitelkeit und übertriebenem Ego strotzend - niemals über diese große Ehre berichtet hatten oder jemals auch nur mit diesem Ring gesehen oder abgebildet worden wären. Überhaupt ist es schwer vorstellbar, dass in nicht gerade als diskret bekannten Kreisen von Egomanen wie es große Schauspieler wohl meist sind, eine solche Auszeichnung - immerhin geht es um den Titel des bedeutendsten deutschsprachigen Schauspieler und das auf Lebenszeit - nach dem Tode von Iffland 87 Jahre lang geheim gehalten werden konnte. Es gibt also genügend ernste Hinweise darauf, dass das Ganze möglicherweise nur ein posthumer Scherz oder der Versuch seinen Namen unsterblich werden zu lassen von Friedrich Haase war. Ein Vorhaben, dass ihm zweifelsfrei gelungen ist - gerade die Verknüpfung mit dem legendären Theatermann Iffland, die geheime Weitergabe, all das ergibt den Reiz, die Faszination dieser Geschichte, die man nur allzugerne glauben möchte. Hätte Haase eine solche Auszeichnung selber geschaffen - einen Haase-Ring zum Beispiel - er wäre sicherlich gescheitert.

Stiftung und Verleihung

Allen Ungereimtheiten zum Trotze - hier nun die offizielle Geschichte des Iffland-Ringes als Auszeichnung: Wie schon berichtet, fand man im Nachlass des Schauspielers Friedrich Haase 1911 den bewussten Ring. Auf der Unterseite des Etuis hatte Haase vermerkt: "Insignie - von Theodor Döring an Friedrich Haase - ein Ring mit Ifflands Bildnis, den derselbe Ludwig Devrient in Berlin übergab. Gewidmet von Dörings Witwe an mich. '75." Das Frau Döring anno '75 noch gar nicht Witwe gewesen ist, da Theodor Döring erst 1878 gestorben ist könnte ein lässlicher Fehler - beim Schreiben als auch beim Erinnern -  sein. Dazu ein erklärender Brief von Haase, dass er diesen Ring als persönliche Auszeichnung erhalten habe, mit der Bestimmung, "ihn nur dem Schauspieler bei meinem Ableben überlassen zu wollen, den ich zur Zeit für eine solche Ehrengabe als Würdigsten erachte." - damit war die Legende geboren, der Ring solle von seinem aktuellen Besitzer testamentarisch weitergegeben werden, dem jeweils bedeutendsten Schauspieler deutscher Zunge!

Friedrich Haase vererbte also diesen Ring an Albert Bassermann (1867-1952), welcher nacheinander Girardi, Pallenberg und Moissi testamentarisch zu seinem Nachfolger bestimmte. Als jedoch jeder der von ihm Ausgewählten vor ihm starb übergab der am 10. Oktober 1935 den Ring der Theatersammlung der Österreichischen Nationalbibliothek, überzeugt davon durch seine Wahl den Betreffenden tödliches Unglück zu bringen. Damit wäre die Legende eigentlich erledigt, die persönliche Weitergabe unterbrochen - das wäre's gewesen! Aber eine so gute "G'schicht" lässt man nicht einfach sterben - schon gar nicht in Wien!

Nachdem Bassermann 1952 gestorben war ohne einen weiteren Nachfolger bestimmt zu haben, forderte der Leiter der österreichischen Bundestheaterverwaltung Dr. Egon Hilbert (1899-1968) die Herausgabe des Ringes an seine Institution. Er bedachte allerdings nicht, dass die damit verbundenen Presseartikel der Öffentlichkeit wiederum den Ring und die damit verbundene Legende in Erinnerung rufen würde. 1954 beschloss der Kartellverband deutschsprachiger Bühnenangehöriger aus Deutschland, Österreich und der Schweiz einstimmig den Ring an Werner Krauss zu verleihen. Dr. Egon Hilbert, der wie sich jetzt herausstellte den Ring mit nach Hause genommen hatte (sic!), leistete hinhaltenden Widerstand bis sich schließlich der österreichische Unterrichtsminister Dr. Heinrich Drimmel (1912-1991) als vorgesetzte Behörde einschaltete. Kraft seiner Autorität setzte er nicht nur die Übergabe an Werner Krauss durch sondern erließ auch Richtlinien wie die Verleihung des Iffland-Ringes in Zukunft vor sich zu gehen habe. Die wichtigsten Punkte dabei sind:

1.) Der Ringträger hat spätestens 3 Monate nach Übergabe des Ringes seinen Nachfolger schriftlich festzulegen.

2.) Sollte eine solche Verfügung ausbleiben oder im Nachlass nicht auffindbar sein, so hat die Bundestheaterverwaltung ein Kollegium zu bestimmen, welchem das Vorschlagsrecht zukommt.

3.) Der Ring bleibt im zweckgebundenen Eigentum der Republik Österreich - was ihn praktisch zu einer halb-staatlichen Auszeichnung macht, die aber nach privaten Vorstellungen verliehen wird!

Werner Krauss (1884-1959) vererbte diesen Ring an Josef Meinrad (1913-1996) welcher diesen wiederum an Bruno Ganz (geb.1941) vererbte. Gerade diese letzte Weitergabe - an einen Schweizer - gab Anlass zu zahlreichen meist eher dümmlichen Kontroversen in der Presse. Natürlich kann man über Geschmack streiten, ja man kann sogar darüber publizistisch nachdenken ob ein Schweizer überhaupt ein Schauspieler "deutscher Zunge" sei - seltsamerweise hat niemand bei Österreichern je so argumentiert - und selbstverständlich ist eine solche Auszeichnung "ungerecht und subjektiv" schon alleine durch azyklisch ablaufende Lebensläufe sind viele mehr als würdige Bühnengrößen - von Alexander Girardi über Oskar Werner bis zu Klaus-Maria Brandauer um nur einige zu nennen - dadurch leer ausgegangen - aber gerade das, gerade dieses Unwägbare, das Geheimnisvolle, das Legendenumwobene macht ja diese Auszeichnung so einzigartig und interessant! Rückblickend betrachtet denke ich ist bis heute noch kein "Unwürdiger" Träger dieses Ringes gewesen und wird es wohl auch in Zukunft nicht werden!

Heute der einzige & wahre Iffland-Ring

 

Quellen & Literatur:
Verschiedene Artikel der Tagespresse  anlässlich der Weitergabe Meinrad/Ganz 1996, vor allem: Kurier vom 29.2. und 20.5.1996
Hans Bankl; Kolumbus brachte nicht nur die Tomaten; Wien 2002

 

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